Das Wort zum Genderwahn

Sicherlich kann man über bestimmte Formen geschlechtergerechter Schreibweise diskutieren. Insbesondere Einwände bezüglich der Grammatik kann ich selbst gut nachvollziehen. So fehlt mir beispielsweise bei „Kund*in“, das E und bei „Student*innen ein weiterer Stern – vergleichbar der Schreibweise Student/-inn/-en.
Dennoch gibt es viele Argumente für den Stern, einige für den Doppepunkt und wenige für den Unterstrich. Vielleicht brauchen wir auch gar keine einheitliche Schreibweise, solange wir bewusst schreiben und niemande*n leichtfertig aussschließen.

Gar keine Argumente finde ich jedoch für das generische Maskulinum, den vermeintlich geschlechtsneutralen Gebrauch der männlichen Form, der alles andere mitmeinen soll. Als in der letzten Woche die Duden-Redaktion zumindest für die Onlinefassung des Wörterbuches ankündigte, künftig durchgängig sowohl die männliche als auch die weibliche Schreibweise von Wörtern aufzulisten, brandeten die Empörungswellen ebenso an wie heute, als die Tagesschau von einer Sprachforscherin berichtete, die sich wünscht, „ dass im Grundgesetz künftig auch Bundespräsidentinnen und Bundeskanzlerinnen vorkommen.“

Ich weiß gar nicht, ob ich mich an dieser Stelle mehr für die pauschale Ablehnung oder die Argumente der zum überwiegenden Teil männlichen Kommentatoren schämen soll. Ich glaube, eher Letzteres. Denn anzuführen „das war schon immer so“ und „die sind doch mitgemeint“ oder einfach nur vom Genderwahn zu schwafeln, ist auf derart beängstigende Weise konservativ, so ohne Sinn und Verstand zementierend, dass es mich wundert, dass Frauen im 21. Jahrhundert wählen dürfen und ihren Vater, Bruder oder Ehemann nicht mehr um Erlaubnis bitten müssen, wenn sie etwas möchten, oder Menschen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität überhaupt Erwähnung finden.

Wut und Rache und Schadenfreude sind Dinge, die ich im Grundsatz eher ablehne, und doch wünsche ich mir inzwischen für eine befristete Zeit das generische Femininum, damit all jene Wutbürger eine Ahnung davon bekommen, was es heißt, mitgemeint zu sein.
Und so langsam beginne ich sogar, mich von einer rein männlichen Schreib- und Sprechweise selbst nicht mehr angesprochen zu fühlen; denn es ist die der ewig Gestrigen, die des lingualen Patriarchats …

[Update: Beitragsbild ergänzt am 01.02.2022, Quelle: haz.de am 27.01.2022]

Ein Gedanke zu „Das Wort zum Genderwahn

  1. Auch mir fällt es mittlerweile schmerzlich auf, wenn nur in der männlichen Rolle gesprochen wird. Ärgerlich, wenn dann die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Inhalt verwischt, weil nur ein Teil der gemeinten Menschen im Text angesprochen wird.

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