France – España – Portugal I

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Einfach los!?

Samstags noch gearbeitet, abends schnell gepackt, sonntagvormittags die Sachen ins Auto geladen – und los ging es. Nichts geplant, fest stand nur, dass es Richtung Portugal gehen soll (auch wenn Skandinavien noch bis Belgien lockte), alles weitere würde sich zeigen. Einfach raus und dem Alltag ein paar Wochen entfliehen.

Die Straßen waren frei und mit Einbruch der Dämmerung hatte ich bereits die zweite Landesgrenze hinter mir. Da in der Region Hauts-de-France die Mehrzahl der Campingplätze die Saison bereits beendet hatten, entschied ich mich, die erste Nacht im Auto zu übernachten. Aber wo? Weit und breit gab es nur Felder, es wurde Dunkel und es begann kräftig zu regnen. Dann endlich: eine kleine Straße zu einem Waldstück. Doch der Weg wurde schmaler, der Asphalt wich Schotter, der Schotter dem Matsch und wenige Augenblicke später ging gar nichts mehr – ich saß fest. Nur kurz haderte ich mit der Situation, bevor ich mit todmüde meinem Schicksal ergab und erstmals seit Langem fast 10 Stunden schlief.

Der nächste Morgen brachte die schnelle Erkenntnis, dass aus eigener Kraft kein Start zu machen ist. So begann nach ein paar Kilometern Fußmarsch und einigen Telefonaten eine längere slow down-Therapie, die nach den vielen stressigen Monaten vermutlich recht heilsam war. Fast 18 Stunden nach dem Schlamassel war ich nach einer recht abenteuerlichen Abschleppaktion endlich wieder unterwegs.

Schon knapp drei Stunden später fand ich in der Normandie bereits im zweiten Anlauf einen geöffneten Zeltplatz und hatte so in Mesnil-sous-Jumièges die Möglichkeit, eine Menge des Schlamms loszuwerden, der sich rund um die letzte Übernachtung so ganz nebenbei überall eine Bleibe gesucht hatte.

Auf einer längeren Streck entlang der Seine, die auch außerhalb Paris wunderschön sein kann, stellte sich am nächsten Morgen dann auch so etwas wie Urlaubsstimmung ein und ich kam peu a peu in einen Reiserhythmus, der mich in den folgenden Tagen über die Île de Ré, Laredo und Valdoviño nach Póvoa de Varzim in der Região Norte in Portugal trug (und mich tatsächlich dort wie zuvor in Cudillero auch ans Fotografieren denken ließ).

Gaia/Porto e Lisboa

Mit dem Erreichen von Póvoa de Varzim hatte ich tatsächlich das erste Ziel meiner Reise erreicht, nämlich weiter zu kommen als vor sechs Jahren, wo ich es nur bis Viana do Castelo geschafft hatte. Von hier ging es innerhalb einer Autostunde weiter nach Vila Nova de Gaia. Gaia liegt am Südufer des Douro Porto direkt gegenüber. Beide Städte gehen fast nahtlos ineinander über und sind nur durch den Fluss getrennt.

Nach dem Einchecken auf dem Campingplatz, machte ich mit dem Rad auf den Weg nach Porto und war positiv überrascht, mit welcher Konsequenz der Radweg dorthin angelegt wurde: Zwar musste ich entlang des Atlantiks an der Uferpromenade immer mit wild kreuzenden Fußgänger*innen rechnen, der motorisierte Individualverkehr wird jedoch baulich auf Abstand gehalten und für einen Teil der Strecke wurden kurz vor der Mündung des Douro sogar Straßenabschnitte komplett umgewidmet. Ebenso gut fährt es sich an den Flussufern der beiden Städte. Und entlang der Kais wird in den gesperrten Zonen Radfahren zumindest toleriert. Porto selbst lässt sich, soweit ich das feststellen konnte, bis auf wenige Ausnahmen recht gut mit dem Rad erkunden, in Gaia hatte ich an einiges Stellen ziemlich mit den Steigungen zu kämpfen.

Was Porto betrifft, war es Liebe auf den ersten Blick – und ich hoffe, bald wieder in diese Stadt reisen zu können. Worte habe ich für diese Stadt (noch kein), ich denke jedoch, dass die Bilder den Zauber dieser Stadt erahnen lassen …

Schwieriger war es einige Tage später, Lisboa mit dem Fahrrad zu erreichen, was allerdings vermutlich auch an meinem Ausgangspunkt lag. Nachdem ich mich irgendwann zwischen Schnellstraßen- und Autobahnauffahrten festgefahren hatte, beschloss ich, im Stadtteil Belém an der Mündung des Tejo zu starten und zunächst an der Ponte 25 de Abril und dem Praça do Comércio vorbei entlang des Flusses bis nach Xabregas zu fahren, um von dort aus zum Praça do Comércio zurückzukehren und die Baixa Pombalina – die nach dem verheerenden Erdbeben von 1755 komplett neu aufgebaute Unterstadt – zu erkunden, wo mich vor allem der Elevador de Santa Justa faszinierte, ein gusseiserner Aufzug, der die Baixa mit dem höher gelegenen Stadtteil Chiado verbindet.

Mehr schiebend und tragend als fahrend, kämpfte ich mich schließlich bei sommerlichen Temperaturen den Hügel zum Castelo de São Jorge hoch, einer von den Mauren errichteten Burg, die mich nicht nur aufgrund der atemberaubenden Stadtpanoramen in ihren Bann zog, welche die Plattformen ihrer Türme freigeben. Hier oben ist es unaufgeregt schön, der Trubel tritt in den Hintergrund, Bäume und Mauern kühlen, mehr als tausend Jahre Geschichte lassen sich spüren … Der Blick auf die Stadt ist einerseits faszinierend schön, fällt aber auch auch auf das Padrão dos Descobrimentos, ein 1960 für Heinrich den Seefahrer errichtetes Denkmal, welches unweigerlich an Portugals Kolonialgeschichte erinnert.

Algarve

Nachdem ich Lisboa über die Ponte 25 de Abril in Richtung Almada mit seiner übergroßen Jesus-Statue verlassen und ein letztes Mal über den Tejo geschaut hatte, wurde es ruhiger und allmählich lichtete sich auch der Verkehr auf den Wegen und Straßen entlang der Küste. Die sanft geschwungenen Landschaften, die Farben und die karge Vegetation erinnerte bisweilen stark an den Norden Schwedens, doch ganz so leer wurde es dann doch nicht – wenngleich ich mich zeitweise dennoch fühlen konnte wie der einzige Mensch auf dieser Welt Welt. Je näher ich jedoch Sagres kam desto mehr trübten bisweilen die größer werdenden Armaden uralter Dieselfahrzeuge der Vanlife-Hipster die spätsommerliche Idylle nach dem geliebten Ende der Saison.

Auf Höhe Faro kamen tags drauf noch die weißen Lawinen rollender Senior*innendomizile hinzu und gänzlich vorbei war die Beschaulichkeit. Über den Touristensturm tröstete jedoch der Anblick der Küste um ein Vielfaches hinweg: War es in der Kindheit nur ein Motiv, das mich – alle paar Jahre in einem Kalender abgedruckt – neugierig auf die Algarve machte, zeigte sich vor den Toren der Stadt ein einmaliger Streifen aus Klippen, zerklüfteten Felsen, natürlichen Brücken, Grotten und kleinen beinahe fjordartigen Schluchten.

Ähnlich beindruckend war der Abstecher in den Parque Natural do Vale do Guadiana nördlich von Olhão, einer Kleinstadt nahe der Grenze zu Spanien, wo ich meine letzten beiden Tage in Portugal verbrachte. Zwar fiel mein Besuch des Pulo do Lobo („Wolfssprung”), eines Wasserfalls am Nordrand des Naturschutzgebietes aufgrund langer Trockenheit komplett anders aus als erwartet (der Guadiana führte kaum Wasser), dennoch entschädigte die einzigarte Landschaft, in der sich dank strengen Schutzes inzwischen die Population des Iberischen Luchses ganz allmählich erholt, selbst für einen langen und anstrengenden Fußmarsch.

Mit schwerem Herzen verließ ich am Folgetag Portugal. Ich weiß, dass ich wiederkommen werde, sobald sich die Möglichkeit bietet. Dann aber für eine Radtour vom Norden bis zum Süden in diesem einzigartigen Land mit seiner herben Schönheit …

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